Wir sind im Roten Ballon gefahren

Frantschesko Slowman war slow, wir haben kraks gemacht. Petra Paul stellt uns dankeswerterweise ihre Fotos zur Verfügung. Und hier geht’s.. zur Musik

kraks live @ Der Rote Ballon

kraks live @ Der Rote Ballon - Grätzlgalerie

In der Grätzlgalerie startet eine neue Reihe zur Erkundung experimenteller Musik- und Geräuschlandschaften: Der rote Ballon, ein Gefährt für atonale Entdeckungsreisen. (Aus dem Newsletter der Grätzlgalerie)

Wir haben uns sehr gefreut, als wir von Claudia Wohlgenannt eingeladen wurden, beim neuen Elektronik Konzertzyklus Der Rote Ballon in der Grätzelgalerie zu spielen. Seid alle herzlich dazu eingeladen! Es gibt wieder spontane Musik mit Strom – Riskant und verwegen, trotzdem lässig. Ein Spaziergang. Für uns übernimmt diesen Spaziergang Frantschesko Slowman, der uns mit wohlgestalteten minimalmoves begleiten wird.
Wir freuen uns auf Euer Kommen!

Lieben Gruß und Allen immer ein schönes Leben!

Martin und Wolfgang

  • kraks feat. Frantschesko Slowman
  • live @ Der Rote Ballon
  • Samstag, 12. Dezember 2015
  • 19 Uhr – Grätzlgalerie
  • Kriemhildplatz 10
  • 1150 Wien

„In the Grätzelgalerie a new series starts in order to explore experimental music and soundscapes. The Red Balloon, a vehicle for atonal expeditions.“ (From the Grätzlgalerie newsletter)
When Claudia Wohlgenannt invited us to play at the Red Balloon we were very glad. Please feel cordially invited everybody! We will have electrified spontaneous music again, risky and foolhardy, easygoing though. It’s a stroll. We will have Frantschesko Slowman with us this time who will provide us with well set minimal moves. And we are very much looking forward to having you all!
All the best always
Martin and Wolfgang

alle ergebnisse sind temporär

Antwort auf 20150505 Session 12 von kschwendt

hello wolfi, es gibt sowieso keine wahrheit, zumindest fühl ich mich überfordert, wahrheit dingfest zu machen und begrifflich festzunageln. was ich aber sagen kann, ist, daß ich kraks als kontrapunkt erlebe. als gegenpol zum perfektfunktionierenmüssen, perfekfunktioniertenwollen, zum effizientsein-, erfolgreichsein-, suveränseinmüssen und alle diese begrifflichkeiten, die gegenwärtig omnipräsent sind, druck erzeugen und der lust am tun und am sein entgegenarbeiten. letzlich leidet die lebenslust an diesen postulaten, die einen umzingeln und versuchen, sich im inneren einzunisten – sich zu verinnerlichen. und die in die enge führen. kraks erlebe ich als freiraum. ich erlebe unsere improvisationssessions als freigang in ungepflügtes terrain, wo das platz hat, was uns gerade im moment musikalisch passiert. da ist eine unterscheidung zwischen falsch und richtig gar nicht möglich, da zählt das gegenwärtige geschehen. dieses flanieren im gegenwärtigen. bewegungen in einer offenen situation. da hat alles platz – auch langeweile, stillstand, ungereimtes. es ist ein fließendes gestaltwerden. strukturen formen sich, zerfallen, verbinden sich, laufen parallel, reiben sich, verpuffen – der film geht nie aus, ist nie zu ende. alle ergebnisse sind temporär, unvollständig und lassen etwas offen, jede art plötzlicher richtungsänderung inbegriffen. und all das macht mir unser „kraksen“ wertvoll. und, ich freu mich schon auf unseren nächsten freigang – wannauchimmer, wieauchimmer, warumauchimmer. cheerio!

20150505 Session 12

Blatt mit Loch

Im November hätte keiner von uns beiden gedacht, dass die nächste Session sechs Monate auf sich warten lassen würde. Wir tasteten uns von Woche zu Woche zu Monat, aber immer war was. Engagements auf verschiedenen Ebenen. Martin hatte Arbeit auf der Tanz-Uni, ich war als Grafiker in ein größeres Ausstellungsprojekt involviert, Martin arbeitete als Komponist und Darsteller für’s Theater, ich war als Grafiker in ein anderes nicht so großes Ausstellungsprojekt involviert, Martin war in den Ferien, ich war in den Ferien, Martin wurde reich und berühmt und tourte mit seiner Hauptband (Stone Temple Pilots) um die Welt, ich wurde reich und berühmt und tourte mit meiner Hauptband (Metallica) in die andere Richtung. Und plötzlich war es Mai. Ihr kennt das.

Und dann ist der große Tag da: Stadionrock again mit kraks und man will alles richtig machen, keine falschen Töne spielen, keinen miesen Softrock säuseln. Ich. Großer Fehler. Die richtige Art Alles-richtig-machen wäre Zuhören-und-aus-dem-Moment-die-richtigen-Impulse-tropfen-Lassen, und seien es falsche Töne. Und wenn einem genau diese Gedanken schon während des Gigs kommen, weiß man, dass man schon falsch begonnen hat.

Aber, wie Martin gleich richtig bemerkt hat, wäre es genauso ein Fehler, das alles gleich als großen Fehler zu betrachten. Man könnte ja auch den Mund halten, Zeit vergehen lassen, die Querelen vergessen und sich alles in Ruhe noch einmal anhören. Dann wäre dem schon was abzugewinnen. Und schon sind fünf Minuten vergangen, wir steigen ins Auto und mein movie ist on the road.

Die Straßen führen uns sowieso meistens in die Industrieviertel, in die Vorsaison, in die Vorbereitungszeit und Zwischenbrache, kaum je ins Zentrum. Aber wenn am Lido von Bova Marina irgendwo ein Licht in der Nacht leuchtet, und sonst nichts, dann ist dort eine Pizzeria, in die wir müssen, weil dort ein billiges Keyboard die vier Gäste zum Tanzen bringt, was sonst nirgends auf der Welt funktionieren würde, da sind wir uns sicher. Wir rollen auf dem Parkplatz aus und geben uns begeistert gelangweilt, werfen alles wieder über den Haufen und shaken-baby-shaken.

Martin hat seine gefakte Leofelljacke aus dem Talon gezogen und sieht sich die Bühnen-Elektronik genauer an, ich besorge uns einen Strandbuggy und komme mit meiner Oliver-Onions-Sammlung direkt an den Lieferanteneingang um Autogramme zu holen. Wir bestellen Bier und Margarita und warten auf die Nachtschwärmer.

Die Kellnerin bringt Bier und Zigaretten. Ab da wird’s immer blöder. Aber es kommt ein neuer Tag und ein neuer Tank und ein neues Land. Ihr seht, es ist nicht wichtig, wie der Film ausgeht, es ist nur wichtig, dass er läuft. Wir nehmen alles.

Martin, das hab ich uns jetzt erlogen, was ist deine Wahrheit? Was ist Eure? .. Zur Session

Stimmung!

As my guitar is ALWAYS out of tune and I am a lazy tuner, I promised myself to pay more attention to it in the coming sessions. And, as you will notice, I kept my promise. Looking through some old drawings I found this matching cartoon. It’s about trying and failing to impress with knowledge of technical terms and about lazy (but not dumb) tuners. The wise guy mistakes octaves for generations: „This guitar is two generations too deep!“ – Don’t ask me why, I’m a lazy tuner.

Zeichnung Wolfgang Kschwendt - Gitarrengenerationen

Dear Fabio

Foto "Krauthecke" - Wolfgang Kschwendt

die kanne war größe acht, der zucker leicht zu finden. Meike hat die kastltür vergessen. nach der suppe bin ich raus, ich habe nichts übriggelassen. es war nicht notwendig, an reste zu denken. es wäre niemand nachgekommen.

vor dem regen graute mir, es schüttelte mich durch als ich draußen war, und vor dem anderen haus war es unmöglich trocken zu bleiben. wir haben die minestrone in thermoskannen gefüllt. wir haben die grauen daunen angezogen. wir haben uns auf die pausen gefreut. beim zweiten punkt wärst du gerne noch länger geblieben. aber die hausfrau war bereits müde. wir haben es nicht geschafft, sie verwegen zu unterhalten. darum wohl hat sie uns vor die tür gesetzt. sie hätte dir gefallen.

lauf am morgen im parcours. nur, wenn‘s herbstelt aber, lieber. Susanna mag die pappeln, sie hat sie vorm tor. du kannst sie ja fragen, ob sie auch will. jeden tag würde ich nicht, aber ab und zu schadet nie. in der zirkusgasse war eine benefizveranstaltung zugunsten der trauergäste. zwei von dreien waren nackt, und Mozart spielten sie schon in der garderobe. mütter waren besonders willkommen. starlets und hunde mussten sich zurückhalten, was nach mitternacht abgeschafft wurde.

im zweiten stock platzten die nähte, das buffet war ja bald vergriffen. in jeder nische lagen welche, nichts als scherben. tonkünstler waren unterwegs nach westen. die nacht klang vielversprechend. der hätte dir gefallen, da bin ich überzeugt. die frage: warum misslingt der versuch: es-dur lokrisch.

Foto: Wolfgang Kschwendt

über das lose Dahintreiben

Aus dem losen Dahintreiben gestalten sich temporäre Formen – Songfragmente, Groovepassagen, Anklänge an Filmmusiken – um dann wieder ins Unbestimmte zurückzufallen. Dieses Unbestimmte ist die Offenheit in alle erdenklichen Richtungen. Jede neue Session ist Aufbruch in ein neues Abenteuer, die Liebe zum grenzenlosen Terrain des JETZT.

kraks_ kratochwil und kschwendt 5

So wird die Musik auch zur Quelle des Staunens – des Staunens angesichts ungeahnter intuitiver Kräfte, die in einem selbst schlummern und die sich einen Weg ins Gestalterische bahnen. Das Vertrauen ins unmittelbare Tun, ins gemeinsame Suchen und Finden, als Startrampe ins Geschehenlassenkönnen.

„This, Martin, is the first of (a line of sketches)“

(Live Improvisation)

Martin Kratochwil: Circuit-Bending Instruments
Wolfgang Kschwendt: Gitarre, Stimme

Drawing by Wolfgang Kschwendt: This, Martin, is the first of (a line of drawings)

Wolfgangs Text zu lines and sounds:

„Aus Faszination für grafische Partituren entstand die Zeichnungsserie „This, Martin, is the first of (a line of sketches)“, in der ich den Versuch unternommen habe, für Martin einen lockeren Boden zu schaffen, auf dem er ein Musikstück entwickeln konnte (wollen sollte). Die Ausstellung der Serie in der Grätzlgalerie war ein willkommener Anlass, sich gemeinsam daran zu machen.
Bei jeder Session entsteht ein neues Stück und ist schon wieder Geschichte. Solange die Konzentration hält, hält die Spannung, dauert das Stück. Die elektronischen Instrumente sind nur teilweise kontrollierbar, der Zufall erzeugt neue Muster, auf die wir reagieren. Die Musik bleibt fragmenthaft, ein Roadmovie, eine Wanderung durch Häuser, Straßen, Städte. Streunen. Eine Zeitspanne.“


English version

Wolfgangs text about lines and sounds:

Out of fascination for graphic scores I started a series of drawings called “This, Martin, is the first of (a line of sketches)”, in which I had undertaken the attempt to create a loose ground for Martin on which he could (and hopefully would) develop some music piece. The exhibition of the series in the Grätzlgalerie was a welcome opportunity to create some sound together.
At each session a new piece grows and is already history.The piece takes it’s time as long as concentration is fine. The electronic instruments are only partially controllable, randomly generated new patterns appear to which we respond. The music remains in a fragmentary way, a road movie, a walk through houses, streets, cities. Stray. A period of time.

live: 7. November 2013 18h
*grätzlgalerie
Kriemhildplatz 10
1150 Wien