20150505 Session 12

Blatt mit Loch

Im November hätte keiner von uns beiden gedacht, dass die nächste Session sechs Monate auf sich warten lassen würde. Wir tasteten uns von Woche zu Woche zu Monat, aber immer war was. Engagements auf verschiedenen Ebenen. Martin hatte Arbeit auf der Tanz-Uni, ich war als Grafiker in ein größeres Ausstellungsprojekt involviert, Martin arbeitete als Komponist und Darsteller für’s Theater, ich war als Grafiker in ein anderes nicht so großes Ausstellungsprojekt involviert, Martin war in den Ferien, ich war in den Ferien, Martin wurde reich und berühmt und tourte mit seiner Hauptband (Stone Temple Pilots) um die Welt, ich wurde reich und berühmt und tourte mit meiner Hauptband (Metallica) in die andere Richtung. Und plötzlich war es Mai. Ihr kennt das.

Und dann ist der große Tag da: Stadionrock again mit kraks und man will alles richtig machen, keine falschen Töne spielen, keinen miesen Softrock säuseln. Ich. Großer Fehler. Die richtige Art Alles-richtig-machen wäre Zuhören-und-aus-dem-Moment-die-richtigen-Impulse-tropfen-Lassen, und seien es falsche Töne. Und wenn einem genau diese Gedanken schon während des Gigs kommen, weiß man, dass man schon falsch begonnen hat.

Aber, wie Martin gleich richtig bemerkt hat, wäre es genauso ein Fehler, das alles gleich als großen Fehler zu betrachten. Man könnte ja auch den Mund halten, Zeit vergehen lassen, die Querelen vergessen und sich alles in Ruhe noch einmal anhören. Dann wäre dem schon was abzugewinnen. Und schon sind fünf Minuten vergangen, wir steigen ins Auto und mein movie ist on the road.

Die Straßen führen uns sowieso meistens in die Industrieviertel, in die Vorsaison, in die Vorbereitungszeit und Zwischenbrache, kaum je ins Zentrum. Aber wenn am Lido von Bova Marina irgendwo ein Licht in der Nacht leuchtet, und sonst nichts, dann ist dort eine Pizzeria, in die wir müssen, weil dort ein billiges Keyboard die vier Gäste zum Tanzen bringt, was sonst nirgends auf der Welt funktionieren würde, da sind wir uns sicher. Wir rollen auf dem Parkplatz aus und geben uns begeistert gelangweilt, werfen alles wieder über den Haufen und shaken-baby-shaken.

Martin hat seine gefakte Leofelljacke aus dem Talon gezogen und sieht sich die Bühnen-Elektronik genauer an, ich besorge uns einen Strandbuggy und komme mit meiner Oliver-Onions-Sammlung direkt an den Lieferanteneingang um Autogramme zu holen. Wir bestellen Bier und Margarita und warten auf die Nachtschwärmer.

Die Kellnerin bringt Bier und Zigaretten. Ab da wird’s immer blöder. Aber es kommt ein neuer Tag und ein neuer Tank und ein neues Land. Ihr seht, es ist nicht wichtig, wie der Film ausgeht, es ist nur wichtig, dass er läuft. Wir nehmen alles.

Martin, das hab ich uns jetzt erlogen, was ist deine Wahrheit? Was ist Eure? .. Zur Session

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